Warum Mitarbeiterentwicklung entscheidend ist
In der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden kein "Nice-to-have" mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Engagierte und kompetente Mitarbeitende sind das Herzstück erfolgreicher Unternehmen. Für Führungskräfte bedeutet das: Sie sind nicht nur Manager, sondern auch Coaches und Entwicklungsbegleiter. Doch wie gestaltet man diese Entwicklungsgespräche strukturiert und wirkungsvoll? Viele Führungskräfte fühlen sich hier unsicher oder greifen auf standardisierte Jahresgespräche zurück, die oft wenig nachhaltige Wirkung zeigen.
Hier kommt das GROW-Modell ins Spiel. Es ist ein international anerkannter und bewährter Ansatz für Coaching und Lösungsfindung, entwickelt in den 1980er Jahren von Sir John Whitmore und Kollegen. GROW bietet einen einfachen, aber kraftvollen Rahmen, um Gespräche zu strukturieren und Mitarbeitende dabei zu unterstützen, ihre eigenen Lösungen und Entwicklungswege zu finden. Es fördert die Eigenverantwortung und hilft, klare, messbare Ziele zu definieren.
Was genau ist das GROW-Modell?
GROW ist ein Akronym für die vier Phasen des Coaching-Prozesses:
- Goal (Ziel): Was soll erreicht werden?
- Reality (Realität): Wie ist die aktuelle Situation?
- Options (Optionen): Welche Möglichkeiten gibt es?
- Will / Way Forward (Wille / Weg): Was wird konkret getan?
Diese vier Phasen bauen logisch aufeinander auf und führen den Coachee (den Mitarbeitenden) von der Zieldefinition über die Situationsanalyse und Ideengenerierung hin zu einem konkreten Aktionsplan.
Die vier Phasen des GROW-Modells im Detail
Lass uns die einzelnen Phasen genauer betrachten und verstehen, welche Fragen dabei helfen können.
Phase 1: Goal (Zieldefinition)
In der ersten Phase geht es darum, ein klares und motivierendes Ziel für das Gespräch oder einen bestimmten Entwicklungsbereich zu definieren. Ohne ein klares Ziel ist es schwer, Fortschritte zu messen oder überhaupt in die richtige Richtung zu gehen. Das Ziel sollte möglichst SMART formuliert sein (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert).
Beispiele für Fragen in der Goal-Phase:
- "Was genau möchtest du in dieser Sitzung/in den nächsten Monaten erreichen?"
- "Woran würdest du erkennen, dass du dein Ziel erreicht hast?"
- "Wie sieht Erfolg für dich in diesem Bereich aus?"
- "Warum ist dir dieses Ziel wichtig?"
- "Was wäre ein idealer Zustand?"
Es ist entscheidend, dass das Ziel vom Mitarbeitenden selbst kommt und nicht von der Führungskraft vorgegeben wird. Nur so entsteht echtes Commitment.
Phase 2: Reality (Realitätscheck)
Nachdem das Ziel klar ist, folgt die ehrliche Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. Wo steht der Mitarbeitende gerade in Bezug auf sein Ziel? Was sind die Fakten? Welche Hindernisse gibt es? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? In dieser Phase geht es darum, ein objektives Bild der Gegenwart zu zeichnen, ohne zu bewerten oder vorschnell Lösungen zu suchen.
Beispiele für Fragen in der Reality-Phase:
- "Wo stehst du aktuell in Bezug auf dein Ziel?"
- "Was hast du bisher unternommen, um das Ziel zu erreichen?"
- "Was hat funktioniert, was nicht?"
- "Welche Hindernisse siehst du?"
- "Wer oder was könnte dich unterstützen?"
- "Was sind die größten Herausforderungen im Moment?"
Ein tiefes Verständnis der Realität ist die Grundlage für die Entwicklung realistischer Optionen.
Phase 3: Options (Möglichkeiten erkunden)
Sobald Ziel und Realität klar sind, öffnet sich der Raum für Kreativität. In der Options-Phase geht es darum, möglichst viele Handlungsalternativen und Lösungsansätze zu sammeln, ohne sie sofort zu bewerten. Hier ist Brainstorming gefragt. Die Führungskraft ermutigt den Mitarbeitenden, über den Tellerrand zu schauen und verschiedene Wege zu erkunden.
Beispiele für Fragen in der Options-Phase:
- "Welche verschiedenen Möglichkeiten fallen dir ein, um deinem Ziel näherzukommen?"
- "Was könntest du noch tun?"
- "Was wäre, wenn Zeit/Geld/Ressourcen keine Rolle spielen würden?"
- "Welche verrückten Ideen hast du?"
- "Wer könnte dir dabei helfen oder dir Ratschläge geben?"
- "Was hast du in ähnlichen Situationen getan?"
Wichtig ist hier, eine breite Palette an Optionen zu generieren, bevor man zur Auswahl und Bewertung übergeht.
Phase 4: Will / Way Forward (Wille und konkrete Schritte)
In der letzten Phase wird es konkret. Aus den gesammelten Optionen wählt der Mitarbeitende die vielversprechendsten aus und entwickelt einen klaren Aktionsplan. Wer macht was bis wann? Was sind die nächsten Schritte? Wie wird der Fortschritt überprüft? Hier geht es um Commitment und die Sicherstellung, dass die besprochenen Ideen auch in die Tat umgesetzt werden.
Beispiele für Fragen in der Will/Way Forward-Phase:
- "Welche dieser Optionen möchtest du verfolgen?"
- "Was genau wirst du tun?"
- "Was ist dein erster Schritt und bis wann wirst du ihn machen?"
- "Welche Unterstützung benötigst du dafür?"
- "Wie wirst du sicherstellen, dass du am Ball bleibst?"
- "Wie messen wir den Fortschritt?"
- "Wie hoch ist deine Motivation auf einer Skala von 1 bis 10, diesen Schritt zu gehen?"
Ein klar definierter Weg erhöht die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung erheblich.
Mehr als nur ein Modell: Die Kunst des Coachings
Das GROW-Modell ist ein fantastischer Leitfaden, aber seine Wirksamkeit hängt entscheidend von den Fähigkeiten der Führungskraft ab, die es anwendet. Es reicht nicht, die vier Phasen zu kennen. Die wahre Kunst liegt in zwei Kernkompetenzen:
Die Kunst des Fragenstellens
Gute Coaches stellen Fragen, statt Antworten zu geben. Sie nutzen offene Fragen (die nicht mit Ja/Nein beantwortet werden können), um Reflexion und eigenständiges Denken anzuregen. Die Fragen sollten neugierig, nicht wertend sein und den Mitarbeitenden dazu bringen, tiefer nachzudenken und eigene Erkenntnisse zu gewinnen. Es geht darum, den Coachee zu befähigen, seine eigenen Lösungen zu finden.
Aktives Zuhören
Mitarbeitenden wirklich zuzuhören – mit voller Aufmerksamkeit und Empathie – ist fundamental. Aktives Zuhören bedeutet, nicht nur die Worte zu hören, sondern auch die Emotionen und Zwischentöne wahrzunehmen. Es beinhaltet Paraphrasieren (das Gesagte in eigenen Worten wiedergeben), Zusammenfassen und nonverbale Signale zu deuten. Dies schafft Vertrauen und eine sichere Atmosphäre, in der sich der Mitarbeitende öffnen kann.
Diese Fähigkeiten – gezieltes Fragen und aktives Zuhören – erfordern Übung, Selbstreflexion und idealerweise gezieltes Training und Feedback. Sie sind der Schlüssel, um das GROW-Modell von einer reinen Struktur in ein kraftvolles Werkzeug zur Mitarbeiterentwicklung zu verwandeln.